Familienname Sczech

Sprachwissenschaftliches Gutachten zu Herkunft und Bedeutung des Familiennamens Sczech

22.5.2008 Gesellschaft für Namenkunde e.V. Universität Leipzig

Allgemeines zur Entstehung und Bedeutung von Familiennamen

Mit der schriftlichen Überlieferung setzte in unserem Sprachraum im 8./9. Jahrhundert auch die Überlieferung von Namen ein. Allerdings handelte es sich zu dieser Zeit noch nicht um Familiennamen. Diese bildeten sich in Deutschland erst seit dem 12. Jahrhundert heraus. Vorher spricht man von der Zeit der Einnamigkeit, da Rufnamen -in der Regel ausreichten, um einen Menschen zu identifizieren.
Bevölkerungswachstum, Landflucht und damit einhergehende Konzentration von Menschen auf engem Raum sowie Vorlieben für bestimmte Rufnamen (Namenmoden) führten letztendlich dazu, dass die Unterscheidung mittels nur eines Namens nicht mehr gewährleistet war. Aus diesem Grunde entwickelten sich um die Jahrtausendwende differenzierende Zusätze zu den Rufnamen, die so genannten Beinamen. Diese Zusätze wurden nach verschiedenen Motivationen gebildet. Ausschlaggebend können der Name des Vaters (Albrecht, Anderson), der Beruf (Müller, Wagner), die Herkunft (Bayer, Nürnberger) oder der Siedlungsplatz innerhalb eines Dorfes (Brunner, Teichmann) oder aber bestimmte charakterliche oder äußerliche Besonderheiten (Kluge, Schwartze) gewesen sein.
Mit der Erblichkeit der unterscheidenden Zusätze beginnt die Ära der Familiennamen. Man spricht von einem Familiennamen, wenn der Name über mehrere Generationen vererbt wurde, Geschwister denselben Namen trugen und der Name inhaltlich nicht zum Namenträger passte (z.B. Friedrich Müller von Beruf Schneider). Die Familiennamen traten zuerst in den süd-und südwestdeutschen Städten auf und häuften sich im 13. Jahrhundert. Bis zum 15. Jahrhundert war ihre Ausbreitung nach Norden und Osten im Wesentlichen abgeschlossen. Allerdings ist zu bemerken, dass die Familiennamengebung vor allem in den ländlichen Gebieten Nordwestdeutschlands erst im 18. Jahrhundert und in Friesland erst im 19. Jahrhundert vollzogen wurde.
Sprachkontakte in den Grenzgebieten, die neuzeitliche Mobilität sowie die großen Bevölkerungsverschiebungen seit dem 20. Jahrhundert führten vermehrt zum Vordringen fremder Namen ins Deutsche. So verzeichnen wir neben französischen und niederländischen Namen im Westen vor allem slawisches Namengut. Auch Namen, die im Baltikum entstanden, sind bedingt durch die Zuwanderung aus dem früheren Ostpreußen mittlerweile fester Bestandteil des hiesigen Familiennamenschatzes.

Häufigkeit und Verbreitung des Familiennamens

Der Familienname Sczech erscheint im Telefonverzeichnis für Deutschland 113-mal. 1 Ausgehend von der Tatsache, dass wir pro Eintrag im Telefonbuch etwa 2,8 Namenträger rechnen, ist der Familienname mit etwa 317 Namenträgern eher selten. Zum Vergleich: der häufigste Name im Deutschen, Müller, verzeichnet etwa 713000 Namenträger.2 In der folgenden Karte sind die Telefonbucheintragungen bildlich dargestellt, woraus sich für uns eine wichtige Arbeitsgrundlage ergibt. Die Verbreitung eines Familiennamens ist sehr wichtig für die Erkenntnis über die Ursprungsregion des Namens. Zwar hat sich ein Großteil der Namenträger, bedingt durch die neuzeitliche Mobilität, im ganzen deutschen Sprachraum und darüber hinaus verteilt, der Namensursprung kann aber erfahrungsgemäß fast immer im heutigen Häufungsgebiet lokalisiert werden.

Der Familienname ist mit einer auffälligen Streuung im Rhein-/Ruhrgebiet und einer Konzentration in Schleswig-Holstein verbreitet, wie auch die Detailkarten (folgende Seite) verdeutlichen.

1 Quelle: www.telefonbuch.de, Stand 05/2008.
2 Quelle: Geogen 3.0, Stand 2005.
3 Quelle: DT-lnfo & Route, Stand 1999.

Um das heutige Häufungsgebiet abzusichern, ist es notwendig, Kenntnisse über die histo-rische Verbreitung der Namen zu erlangen, denn nur so können neuzeitliche Wanderungsbewegungen berücksichtigt werden. Das Internet bietet hierzu reichhaltige Möglichkeiten und die größte und verlässlichste Datenmenge liefert der genealogische Index der amerikanischen Mormonen, welche zahlreiche Informationen über ihre europäischen Vorfahren gesammelt haben. Hier sind digitalisierte Eintragungen aus Kirchenbüchern, Tauf-, Heirats- und Sterberegistern aus aller Welt für jedermann zugänglich gemacht worden, was für uns eine hervorragende, wenn auch kritisch zu betrachtende Quelle darstellt.4 In diesem Verzeichnis sind sieben Träger des Namens Sczech seit dem 17. Jahrhundert überwiegend in West- und Ostpreußen, später auch in Westfalen aufgeführt.

Die historische Verbreitung des Namens Sczech nach www.familysearch.org

1697 Zofia Sczech

1860 Carotine Sczech

1865 Carl Sczech

1871 Julie Sczech

1871 Julie Sczech

1886 Emilie Sczech

1904 Anton Sczech

Rehden Graudenz, Westpreussen, Preussen

Piassutten, Ostpreussen, Preussen

Stromberg, Westfalen, Preussen

Kronau, Ostpreussen, Preussen

Krokau Neidenburg, Ostpreussen, Preussen

Kreis Luck, Ostpreussen, Preussen

Hamm Dortmund, Westfalen, Preussen

4 Quelle: www.familysearch.org. Diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und gibt keinerleiAussage zu Ihren Vorfahren. Sie führt einzig Träger desselben Namens auf, und dient der Analyse des historischen Verbreitungsgebietes. Häufig treten hierbei auch doppelte Nennungen auf, was bei der Analyse berücksichtigt wird. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Eintragungen überwiegend von Laienforschem gemacht wurden, so dass vereinzelt falsche Schreibungen, Ortsangaben oder Fehler bei der Gebietszugehörigkeit auftreten.
5 Erstellt mit Geogen vNext; auch diese Karte spiegelt nicht den tatsächlichen historischen Verbreitungstand wider, sondern kann das ursprüngliche Verbreitungsgebiet nur grob umreißen. Je größer die Markierungen, desto höher die Dichte an Namensträgern in einer Region, rote Kreise stehen für besonders viele Eintragungen.

n Verbindung mit Ihren Angaben über eine Herkunft aus Ostpreußen und aufgrund der für das deutsche ungewöhnlichen Namenstruktur können wir mit einem Familiennamen slawischer Herkunft rechnen. Diese bilden den größten Anteil so genannter fremder Namen in unserem Sprachraum. Ein wichtiger Grund für die Häufigkeit slawischer Namen im Deutschen ist der Zuzug zehntausender polnischer und tschechischer Bergarbeiter in das Ruhrgebiet und die Niederlausitz um 1900. Auch Berlin tritt immer wieder als Ort der Zuwanderung aus Polen in Erscheinung. Zudem ist die Häufigkeit slawischer Namen im Deutschen auf die zahlreichen Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten zurückzuführen.
In Polen verzeichnen wir den Namen heute noch l 0-mal in Schlesien:6

6 Die Daten beruhen auf einer statistischen Erhebung in Polen aus Versicherungsdaten des Jahres 2002 (Quelle: Kazimierz Rymut, Slownik nazwisk uzywanych w Polsee na poczcttku XXI wieku [,,Lexikon der in Polen vorkommenden Familiennamen am Beginn des 21. Jahrhunderts“], CD-ROM. Krakow 2002), welche unter www.genpol.com kartiert werden können.

Wesentlich häufiger ist mit 1701 Namensträgern die Variante Szczech, die im Anlaut ähnlich wie Sczech gesprochen wird: Sczech = /stschech/ – Szczech = /schtschech/. Im Kontaktgebiet zwischen Deutschen und Polen offenbarten die deutschen Schreiber häufig Schwierigkeiten bei der Wiedergabe der sehr differenzierten slawischen Zischlaute.

Etymologie/Bedeutung des Familiennamens

Die Familiennamen Szczech und Sczech können mit dem Landes- und Völkernamen Czech
„Tscheche“ verbunden werden, wobei dem Namen Czech ein -s- vorangestellt wurde.7 Vor
diesem Hintergrund ist der Name Sczech als so genannter Herkunftsname8 in der Bedeutung „der Tscheche“ zu interpretieren. Der erste Träger des Namens stammte entweder aus Tschechien oder aber er bereiste diese Region z. B. als Kaufmann (vgl. auch die deutschen Familiennamen Tschech und Tscheche). 

7 K. Rymut: Nazwiska Polakow [Namen Polens], Bd. II, Krakow 2001, S. 526.
8 Zu Herkunftsnamen im Allgemeinen ist zu sagen, dass diese Personen nach dem Ort oder der Region kennzeichneten, aus welcher sie zugezogen waren. Hier wurden sie von anderen Personen gleichen Vornamens anhand eines Beinamens, des späteren Familiennamens, unterschieden. Die Familiennamen entstanden zu einer Zeit der Städteblüte und Binnenwanderung in Deutschland (11.-14. Jahrhundert), das heißt zahlreiche Menschen verließen ihre Heimatorte und siedelten sich in der nächstgrößeren Stadt an, Darüber hinaus ist auch ein Zuzug in die nähere Umgebung von Orten zu verzeichnen, etwa nach Heirat in Verbindung mit Übernahme von Höfen etc. Beispiele für Herkunftsnamen sind Beyer, Baier etc. (,,der aus Bayern Stammende“), Hess(e), Unger (,,der aus Ungarn“), Jülicher, Hamburger etc.

Der Familienname Czech in Polen

Wie wir erkennen können, konzentrieren sich die Träger des Namens Czech (14833 NT) eher im Süden Polens, das heißt im Kontaktgebiet zwischen Polen und Tschechien, in Norden und Nordosten treten sie kaum noch auf. Aufgrund Ihrer Herkunft aus Ostpreußen tritt diese Erklärungsmöglichkeit eher in den Hintergrund und wir können uns auf eine weitere Deutungsvariante konzentrieren.
Der Familienname Sczech kann auf eine Kurzform des Rufnamens Sczepan bzw. Szczepan des christlichen Taufnamens Stephanus zurückgeführt werden.9 Durch die Christianisierung wurden vor allem seit der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts hebräische, griechische und lateinische Namen aus der Bibel und von antiken Personen nach Mitteleuropa getragen. Vor allem Namen mit christlichem Hintergrund gewannen an Beliebtheit. Dabei handelte es sich vorwiegend um Heiligennamen, die durch die Heiligenverehrung, gefördert durch die Franziskaner und Dominikaner, Verbreitung fanden. Namen wie Mikolai aus Nikolaus, Petr aus Petrus oder Michal aus Michael waren sehr bald unter den häufigsten Rufnamen im slawischen Sprachraum zu finden. Auch die Kurzformen Janek, Hanusch oder Nitsch waren ausgesprochen häufig. Die Vergabe solcher Heiligennamen geschah aus dem Bedürfnis heraus, das Neugeborene dem Schutz und Vorbild des Heiligen anzuvertrauen. Sehr oft wurde auch der Name des Heiligen, welchem am Tag der Geburt des Kindes gedacht wurde, an das Neugeborene vergeben.
Der Name Stephanus ist griechischen Ursprungs und er geht zurück auf griechisch stephanos in der Bedeutung von „Kranz, Siegerkranz“. In den Rufnamenschatz fand er insbesondere aufgrund der Person des Heiligen Stephanus, Diakon und Erzmärtyrer, Eingang. Er wurde wegen angeblicher Gotteslästerung im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen Juden und Heidenchristen in Jerusalem gesteinigt und somit zum ersten Märtyrer in der Geschichte der Christenheit. Die Christen wurden daraufhin aus der Stadt verjagt und wurden in der Umgebung missionarisch tätig. Der erste Schritt von der Juden- zur Weltkirche war damit getan.
Das Fest des Heiligen Stephanus am 26. Dezember (gewählt, um seinen Rang besonders hervorzuheben) ist im Osten seit Ende des 4. Jahrhunderts bezeugt, im Westen seit Anfang des 5. Jahrhunderts. Nach ihm wurden neun Päpste und zahlreiche Fürsten und Könige (in Ungarn der Heilige Istvan, der erste König, gestorben 1038) benannt. Viele Kirchen sind ihm geweiht, z. B. der Stephansdom in Wien.
St. Stephan ist der Patron der Pferde, der Kutscher, der Pferdeknechte, der Böttcher, der Maurer, Schneider, Steinhauer, Weber und Zimmerleute. 10
Bei der Übernahme in die fremden Sprachen wurde der Name an das jeweils vorherrschende Lautsystem angepasst. Im Polnischen erscheint er daher als Szczepan, Czepan, Czapan, Szczepa, Szczepko, Stech, Stec aber auch als Stefan, Stafan, Stepanus oder Staphanus.
In anderen Sprachen kennen wir Stephan, Stefan, Steffen, Steven, Stöffen, Steffen, Staffin, Stevenius, Stiel, Stieve etc. es finden sich augrund der internationalen Verehrung auch französisch Etienne, Esteve, Tienot, Thenot, Thenard oder litauisch Steppu(h)n, Stepputat, Stepukat, Stepas etc.
Im Falle des Familiennamens Sczech ist von einer Rufnamenkurzform Czech, Sczech oder Szczech auszugehen und die Endung -eh ist eine der für das Slawische so typischen Koseendungen, welche an Namen aller Art angefügt wurden, um diese kosend oder verkleinernd einzufärben. Wir kennen unter anderem Namen wie Maloch (zum Rufnamen Malomir), Miloch (zu Miloslaw), Piech (zu Piotr), Goch (zu Godzislaw) oder Paloch (zu Pawe/). 11
Der aus Sczech, Czech oder Szczech entstandene Familienname Sczech ist eine patronymische Bildung, welche in der Regel auf den Namen des Vaters zurückgeht (zu spätlateinisch patronymikum „nach dem Namen des Vaters benannt“), es ist aber auch möglich, dass eine andere Person, etwa ein Onkel, Bruder oder auch Dienstherr, namengebend wirkte. 12 

10 0. Wimmer, H. Melzer, Das Lexikon der Namen und Heiligen, Nachdruck Hamburg 2002, S. 761 ff.
11 W. Milerski: Nazwiska Cieszynske, Warschau 1996, S. 66f.
12 Einen geringen Prozentsatz unter diesen Namen machen die so genannten Metronymika aus, die auf weibliche Rufnamen zurückgehen und daher als „Sohn/ bzw. Ehemann der … “ zu deuten sind.
Auch im Deutschen und den anderen germanischen Sprachen ist diese Form der Familiennamenbildung sehr häufig. Im Norddeutschen kennen wir Familiennamen, wie z.B. Jensen oder Hansen, bei welchen die Endung -sen (in der Bedeutung „Sohn“) die Abstammung vom Vater anzeigt: Johannsen „Sohn des Johann. Im übrigen deutschen Sprachraum ist dieser Namentyp weiter vereinfacht, hier heißt der entsprechende Namensträger einfach Konrad Johann oder auch Johanns. 

Der Name Sczech ist somit ein patronymischer Name in der Bedeutung „Sohn/ Nachkomme des Sczech o.ä.“. Häufig wurden diese Rufnamen noch mit einer Endung versehen, um so die Abstammung anzuzeigen, z.B. Bogislaw + -sky „Sohn des Bogislaw“.
Mit der Endung -eh wurde im Familiennamen möglicherweise auch zwischen dem „großen“ Sczepan (dem Vater) und dem „kleinen“ Sczech (dem Sohn) unterschieden.
Neben den Familiennamen Sczech, Szczech etc. basieren auf dem Rufnamen Stephanus im Polnischen unter anderem auch Familiennamen wie Czepanek, Szczepaniec, Szczepanko, Stefanek, Stepaniec, Stepanko, Szczepa, Szczepek, Szczepko, Stepko, Steflik und viele andere mehr.


Zusammenfassung

Der Familienname Sczech kann aufgrund der Herkunft Ihrer Vorfahren aus Ostpreußen am ehesten als patronymischer Name in der Bedeutung „Sohn/ Nachkomme des Sczech“ gedeutet werden, wobei der Rufname eine polnische Kurzform zum christlichen Taufnamen Stephanus darstellt.
Nicht ganz ausgeschlossen werden kann jedoch auch eine Beziehung zum Völkernamen der Tschechen und somit eine Herkunft oder ein temporärer Aufenthalt in dieser Region

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